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Dr. Marius
Kuschka
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
kuschka@capelle.legal
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Im Lebensmitteleinzelhandel besteht insbesondere unter den Discountern ein erheblicher Preiskampf um die „Preishoheit“. Der eine Händler wirbt mit Dauerniedrigpreisen, während der andere bestimmte Markenartikel noch günstiger anbietet. Der Wettbewerb ist irritiert und fragt sich, ob solche Unternehmen unter dem eigenen Einstandspreis verkaufen.
Der Gesetzgeber hat in der 9. GWB Novelle, die seit Juni 2017 gilt, die Regeln zum Verkauf unter Einstandspreis verschärft. Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung liegt vor, wenn Lebensmittel unter Einstandspreis verkauft werden oder andere Waren nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis verkauft werden.
Die Regelung für Lebensmittel sieht eindeutig aus: Sie dürfen nicht unter Einstandspreis angeboten werden. Der Gesetzgeber hat auch definiert, was der Einstandspreis ist: Dies ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden. Anderes kann vertraglich vereinbart werden. Diese Klausel klingt sperrig und ist es auch: Im Sachverhalt, der zur „Rossmann-Entscheidung“ führte, hat der Drogeriehändler Rossmann eine Gruppe von Produkten definiert, auf die er sämtliche Rabatte und Skonti, die er überhaupt von den betroffenen Herstellern erhielt, angerechnet hat. Er kam daraufhin zu einem extrem tiefen Einstandspreis. Gegen das Bundeskartellamt billigte das OLG Düsseldorf und der BGH diese Praxis. Der Gesetzgeber änderte daraufhin 2017 das Gesetz im Sinne des Bundeskartellamts. In der Praxis ist die Regelung extrem schwierig zu handhaben. Gerade die großen Handelsunternehmen beziehen bei ihren Lieferanten hunderte von Artikeln, auf die sich eine unübersehbare Zahl von sich ständig ändernden Konditionen bezieht. Der Berechnung und der Nachweis eines Verkaufs unter Einstandspreis dürfte hier extrem schwer zu führen sein.
Waren aus dem Non-Food-Sortiment dürfen nach dem neuen Gesetzestext „gelegentlich“ unter Einstandspreis verkauft werden. „Gelegentlich“ sind Aktionen dann nicht, wenn sie jeden Samstag angeboten werden oder wenn der gesamte Aktionszeitraum länger als drei Wochen innerhalb eines halben Jahres dauert.
Die ganze Regel gilt für Unternehmen, die im Verhältnis zu kleinen und mittleren Wettbewerbern eine überlegene Marktmacht haben. Das Bundeskartellamt kommt zum Ergebnis, dass jedenfalls die vier größten deutschen Lebensmittelhändler mehr als 85% Marktanteile im deutschen Lebensmitteleinzelhandel haben.
Wer als Händler in der Vorbereitung auf eine Preisaktion auch rechtlich auf der sicheren Seite sein will und sich nicht nur auf seine unübersichtlichen Konditionen verlassen will, kann mit seinem Lieferanten nach der neuen gesetzlichen Regelung eine – auch zeitlich begrenzte – Verrechnungsklausel vereinbaren. Dann ist es auch für Lebensmittel klar und deutlich zulässig, die Konditionen, die ein Händler verhandelt hat, auf bestimmte Produkte zu konzentrieren, mit denen der Händler eine Aktion fahren möchte.