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Dr. Marius
Kuschka
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
kuschka@capelle.legal
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In seiner Entscheidung vom 20.07.2018 (Az. I-4 U 93/16) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Grundsatzurteil entschieden, dass eine D & O Versicherung nicht einspringen muss, wenn der Geschäftsführer entgegen § 64 GmbHG nach Insolvenzreife noch Zahlungen vom Konto der Gesellschaft ausführt.
Die spätere Klägerin war pro forma Geschäftsführerin einer kleinen GmbH. Sie hatte die Geschäftsführung für ihren Bruder inne, der daran wegen einer Privatinsolvenz gehindert war. Unmittelbar nach Gründung der GmbH schloss der Bruder für die Geschäftsführerin eine D & O Versicherung ab, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und leitenden Angestellten (ULLA) zugrunde lagen. Schon vier Monate nach Gründung war die GmbH nicht mehr in der Lage, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Weitere zehn Monate später meldete die Klägerin nach einer Pfändung des Finanzamts Insolvenz beim Amtsgericht Mönchengladbach an. Der Insolvenzverwalter nahm die Klägerin vor dem Landgericht Mönchengladbach aus § 64 GmbHG auf Zahlung eines Betrages in Höhe von € 221.801,47 in Anspruch wegen der Ausführung fällige Zahlungen durch die GmbH nach Insolvenzreife der GmbH. Das Landgericht Mönchengladbach verurteilte die Klägerin antragsgemäß. Wie mittlerweile rechtskräftig feststeht, hatte die Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH noch Zahlungen nach Insolvenzreife der GmbH von deren Konto geleistet. Die Klägerin / Geschäftsführerin verklagte die D & O Versicherung auf Übernahme der € 221.801,47.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet, dass grundsätzlich der Zahlungsanspruch eines Insolvenzverwalters aus § 64 GmbHG gegen einen Geschäftsführer oder Vorstand nicht vom Versicherungsvertrag der typischen D & O Versicherung erfasst ist. Aufgrund der hier ausschließlich zugrundeliegenden ULLA besteht Versicherungsschutz nämlich nur für einen Anspruch auf Schadensersatz aufgrund einer Pflichtverletzung für den dadurch entstehenden Vermögensschaden. Der Anspruch aus § 64 GmbHG ist kein solcher gesetzlicher Haftpflichtanspruch. Der Anspruch aus § 64 GmbHG ist ein Anspruch eigener Art, bei dem es auf einen Schaden der Gesellschaft nicht ankommt. Die Haftung des Geschäftsführers aus § 64 GmbHG besteht unabhängig davon, ob der Gesellschaft überhaupt ein Vermögensschaden entstanden ist. Es handelt sich bei § 64 GmbHG nicht um einen Deliktstatbestand, sondern um eine eigenständige Anspruchsgrundlage bzw. einen „Ersatzanspruch eigener Art“.
Ähnlich wie das OLG Düsseldorf hat bereits das OLG Celle entschieden (beck-online, RS 2016/125428, Rz. 38).
Die Geschäftsführerin konnte den Zahlungsanspruch des Landgerichts Mönchengladbach, der gegen sie rechtskräftig festgestellt wurde, also nicht an ihre D & O Versicherung weiterreichen.
Vorstände und Geschäftsführer stehen im Fadenkreuz der Rechtsprechung: Gerichtsentscheidungen, die zur persönlichen Haftung von Vorständen und Geschäftsführern mit ihrem Privatvermögen kommen, haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Für Insolvenzverwalter sind diese Haftungsprozesse eine eigene Disziplin geworden. In vielen Fällen geht es nicht um das Vermögen des Geschäftsführers, das oft bei weitem nicht für die Klagesumme ausreicht, sondern darum, Zahlung von der D & O Versicherung des Geschäftsführers / Vorstands zu erlangen.
Die Haftung aus § 64 GmbHG ist vielen Vorständen / Geschäftsführern unklar: Sie meinen, es genüge, dem Vermögen der Gesellschaft keinen Schaden zuzufügen. Weithin unbekannt ist, dass der Geschäftsführer gem. § 64 GmbHG vom Zeitpunkt der Insolvenzreife an nicht einen Euro mehr aus der Gesellschaft herausgeben darf – nicht an das Finanzamt, nicht an den Vermieter, nicht an Banken. Auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit oder auf einen Schaden kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Haftung aus § 64 GmbH G ist das Damoklesschwert für jeden Geschäftsführer, der sieht, dass sein Unternehmen in die Krise gerät.
Bei einigen Versicherern ist die Haftung gem. § 64 GmbHG in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich erwähnt und damit abgedeckt. Für diese spezifischen Fälle gilt das Urteil des OLG Düsseldorf nicht. Geschäftsführer sollten daher ihre Police überprüfen (lassen). Wenn die Police nicht ausdrücklich die Haftung gem. § 64 GmbHG einschließt, ist nachzuverhandeln oder der Versicherer zu wechseln.